Unschärferelationen
in der klassischen Physik, in einfachen Worten
Dieses
Kapitel soll auf die Unschärferelationen in der Quantenmechanik vorbereiten, indem es
gewisse Begrifflichkeiten auf klassische Weise betrachtet.
Da
es hier um eine Formel geht
(Unschärferelationen SIND Formeln), kommen die folgenden Erklärungen
natürlich nicht gänzlich ohne Formeln aus.
Es gibt Unschärferelationen im Makroskopischen, zum Beispiel in
der Akustik:
Um einem (musikalischen) Ton eine exakte Frequenz zuordnen zu können,
müsste er unendlich lang klingen. Am einfachsten stellt man sich das so
vor:
Man nehme einen endlich langen Ton, sagen wir 100 Hz für die Dauer von
genau 1 Sekunde. Jetzt könnte man meinen, bei 100 Hz und 1 s passen
genau 100 Schwingungen hinein; das Ganze "geht also auf", und der Ton
müsste "rein" sein (gerade aus dem Grund wurde das Beispiel so
gewählt).
Dem ist aber nicht so. Obwohl es scheinbar aufgeht ist der Ton nicht
rein,
sondern innerhalb eines (in diesem Fall kleinen) Frequenzbereichs
undefiniert.
Warum?
In der Natur gibt es nämlich keine "aus dem Nichts" beginnenden, also
schlagartig einsetzenden Töne; es
ist immer ein so genannter Einschwingvorgang zu beobachten, der selbst
keine scharfe Frequenz hat, sondern ein Gemisch aus vielen Frequenzen
bildet. Selbst der sauberste Ton kommt nicht ohne Einschwingvorgang
aus. Dies ist keine Folge von technischen oder praktischen
Gegebenheiten, sondern hat grundsätzliche physikalische Gründe (die
hier zu weit führen). Übrigens prägt der Einschwingvorgang unser
musikalisches Empfinden entscheidend mit ("Attack", "Ansingen")
Die bisherige Erklärung sollte zeigen, dass, wenn "es aufgeht",
es trotzdem zu keinem reinen Ton kommt.
Nun zum Normalfall: "Es geht nicht auf". Anstatt eines krummen
Zahlenbeispiels nehmen wir einfach an "100 Hz und knapp 1 Sekunde".
Die Folge ist - abgesehen vom Einschwingvorgang-, dass die letze
Schwingung nicht mehr ganz hineinpasst. Wenn es z.B. 99,3 ganze
Schwingungen sind, dann liegen die nächstmöglichen "reinen" Fälle bei
99 und 100 Schwingungen. Die resultierende Unschärfe beträgt also
100-99 = 1 Hz.
Das scheint nicht besonders viel, aber nehmen wir mal einen Rockbass
an, der "gerade Achtel", sagen wir 4 Töne pro Sekunde "tiefes A" (55
Hz)
spielt. (Anmerkung: Sowas hört man täglich 100 Mal im Radio).
Jeder Ton dauert 1/4 Sekunde; bei 55 Hz passen dann genau 13,75
Schwingungen in das Zeitfenster hinein. Die nächstmöglichen "reinen"
Fälle
lägen bei 13 oder 14 Schwingungen.
Jetzt muss man nur noch berücksichtigen, dass Tonhöhen in Hz gemessen
etwas Relatives sind: Der Unterschied bzw. die Spanne zw. 13 und 14
Schwingungen liegt bei (14-13)/14 = 1/14. --> das ist bereits etwas
mehr als ein Halbton!
--> So gespielte Töne sind im Bereich eines Halbtons unscharf!
Jetzt nehmen wir ein tief gespieltes schnelleres Basssolo, sagen wir 8
Töne /Sekunde. Die Unschärfe verdoppelt sich nun auf 1/7, was schon
etwas
mehr als einem Ganzton entspricht! --> Es ist fast egal, ob
sich der Bassist da öfters um einen Halbton verspielt, denn es gibt
rein akustisch keine Möglichkeit, dies festzustellen (und entspricht
nebenbei auch der musikalischen Realität: Man hört es definitiv nicht). Erst wenn
der Bassist in mittlere oder gar höhere Lagen vorstösst, muss er
wirklich aufpassen wohin er greift.
Die letzten Ausführungen erklären auch, weshalb tiefe Töne quer über
alle Musikrichtungen tendenziell langsamer gespielt werden als hohe:
Für ein reines Tonerlebnis ist ganz einfach mehr Zeit erforderlich,
tiefe Töne brauchen länger, um sich zu entfalten, sie müssen
"einschwingen".
Alles bisher Gesagte kann man in folgende Formel fassen:
Delta [Frequenz] x Delta [Zeitdauer] ~ 1
Wenn man die Zeitdauer für einen Ton als gegeben annimmt, dann kann man
die Frequenzunschärfe berechnen:
Delta [Frequenz] ~ 1 /
Delta [Zeitdauer]
Mit den bisher beschriebenen Zahlenbeispielen erhält man:
1 Hz ~ 1 / 1 Sekunde
4 Hz ~ 1 / 1/4
sekunde
8 Hz ~ 1 / 1/8 Sekunde
Als Musiker kann man das alles übrigens leicht experimentell nachprüfen. Am besten funktioniert es mit grösseren
Stahlsaiten-Instrumenten, also z.B. Westerngitarre, Cello, Kontrabass.
Man sucht sich zunächst einen Ton aus, auf den das Instrument durch
Resonanz reagiert. Dann singt man diesen Ton laut und mindestens 2
Sekunden lang: Das Instrument wird hörbar mitschwingen. Nun singt
man etwas daneben;
mit hoher Wahrscheinlichkeit wird das Instrument
nicht darauf reagieren, und wenn doch, dann versucht man einen anderen
Ton zu finden, auf den das Instrument NICHT reagiert.
Jetzt kommts: Wenn man diesen Ton nur ganz kurz ansingt, dann reagiert
das Instrument auf einmal doch, möglicherweise sogar mit mehreren
Frequenzen. Oft funktioniert das sogar z.B. mit
Händeklatschen. Der Grund warum das so ist, liegt in dem sehr kleinen
Delta [Zeitdauer], das ein relativ grosses Delta [Frequenz] zur Folge
hat. Das kurze Ansingen bzw. das Händeklatschen ist auf der
Frequenzskala so undefiniert, dass sich ein grösserer Frequenzbereich
auf
Instrumentenseite im wahrsten Sinne des Wortes "angesprochen" fühlt.
Das bisher Beschriebene fällt in den Bereich der klassischen Physik, und kann sogar mit Hausmitteln nachgemessen werden.
Obwohl es sich um eine Unschärferelation handelt, wird dies nirgends so bezeichnet.