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Grundlegende Änderungen der ISO 9001:2015.

Vorteile und Nachteile zur ISO 9001:2008

 

Inhaltsverzeichnis

Grundlegendes zur ISO 9001:2015
Der Geist der verschiedenen ISO 9001 Revisionen
Unterschiede zur ISO 9001:2008
  Die Revision 2015 der ISO 9001 ist grundlegend anders als alle vorangehenden Revisionen.
Hauptsächlicher Vorteil ist die Vereinheitlichung des Normaufbaus mit anderen Qualitätsmanagementnormen.


Wesentlichster Nachteil ist die grösser gewordene Entfernung zu betrieblicher Praxis, insbesondere die Verallgemeinerung ursprünglich konkreter Formulierungen.
Letzteres ist die Folge davon, jede nur denkbare Organisationsform mit einer einzigen Norm abdecken zu wollen.

Von Seiten der ISO Organisation wird seit Jahren angestrebt, bestehende und zukünftige Managementsystemstandards in eine einheitliche Struktur mit möglichst identischer Wortwahl zu bringen. Beispiele für Managementsystemstandards:
ISO 13485 und ISO 14001 hatten schon immer formale Ähnlichkeit mit der ISO 9001

Der Vorteil ist, dass zukünftige Managementsystemstandards in den allgemeinen branchenübergreifenden Forderungen (Verbesserung, Verantwortung der Leitung, Planung, Umgang mit Ressourcen…) aus identischen Schlüsselwörtern in generischen Textbausteinen, dem so genannten Core Text bestehen werden, vervollständigt durch branchenspezifische Forderungen, die ebenfalls eine möglichst gleichlautende Wortwahl haben werden.

Der praxisrelevante Vorteil ist eine einfachere Integration verschiedener Managementsysteme innerhalb der selben Firma, sowie ein geringerer, normenübergreifender Interpretationsspielraum. Die sich ergebenden Nachteile werden weiter unten dargelegt. 

Häufigstes Beispiel für die Integration verschiedener Managementsysteme innerhalb der selben Firma, so genannte integrierte Managementsysteme, ist:

ISO 9001 + ISO 14001

Die vereinheitlichte Struktur mitsamt der Textbausteine zukünftiger Managementsystemstandards ist beschrieben im ISO Dokument

ISO_IEC_Directives_Part_1_and_Consolidated_ISO_Supplement_2014.

Zwar wird im Zusammenhang mit der vereinheitlichten Struktur immer auf den Annex SL dieses Dokuments verwiesen, allerdings steht sie in Wirklichkeit im Appendix 2 desselben Dokuments, auf den der Annex SL jedoch verweist. Die Bezeichnung „SL“ hat keine tiefere Bedeutung. Sie ist lediglich Teil einer fortlaufenden Nummerierung; SL kommt nach SK, und vor SM.

In der ISO 9001:2015 wurde diese vereinheitlichte Struktur übernommen.

Ungefähr die Hälfte des Textes der ISO 9001:2015 besteht aus generischen Textbausteinen des Appendix 2, und die andere Hälfte aus verallgemeinertem Text aus der ISO 9001:2008.
Die neue Struktur unterscheidet sich von der vorhergehenden ISO 9001:2008 erheblich. Der Unterschied ist vergleichbar mit dem zwischen ISO 9001:1994 und ISO 9001:2000. Damals wurden aus 20 Kapiteln, so genannten Elementen, 5 Grosskapitel mit insgesamt ca. 80 Unterkapiteln, wobei der Inhalt der wichtigsten Elemente sich im neuen Normtext verstreut wiedergefunden hat.
Ab der Revision 2000 nimmt die ISO 9001 für sich in Anspruch, am Deming Zyklus PDCA orientiert zu sein, was sie sogar mit einem eigenen Kapitel darzulegen versucht. Allerdings war diese Anlehnung von Anfang an rein akademisch und nur für Qualitätsmanagementfachleute überhaupt als solche erkennbar. Eine praktische betriebliche Relevanz ist und war rein deshalb schon nie vorhanden, weil der Betrieb von Unternehmen als ganzes kaum mit Projektmanagement vergleichbar ist.
Denn selbst eine vollkommene Prozessorientierung kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass alle Aufgaben in alter Manier von klassischen Abteilungen mit spezifischen Tätigkeitsbereichen durchgeführt werden, und die Zuordnung von Abteilungen zu einer bestimmten Phase des Deming Zyklus aus betrieblicher Sicht daher nicht sinnvoll ist. 

Die ISO 9001:2015 besteht aus 7 Grosskapiteln mit nur 70 Unterkapiteln, wobei sich die meisten Inhalte der Vorgängernorm ISO 9001:2008 verstreut wiederfinden, diesmal allerdings mit unspezifischeren Formulierungen.
Auch die
ISO 9001:2015 möchte sich am Deming Zyklus orientieren, was aber genauso misslingt wie in früheren Revisionen.

Bezüglich der grundsätzlichen Auffassung darüber, wie weit ein QMS gehen muss, orientiert sich die ISO 9001:2015 inzwischen so sehr an der ISO 9004:2009, dass ein Nachfolger der ISO 9004 wohl nicht mehr zu erwarten ist:
Die ISO 9004 diente ursprünglich dazu, konkrete Vorschläge und Hinweise zu geben, wie man ein QMS aufbaut und was man dazu alles beachten könnte.
Diese Vorschläge gingen über die zertifizierungsrelevanten Forderungen der früheren Ausgaben der ISO 9001
weit hinaus und waren eher mit Total Quality Management vergleichbar.
Daher war der Normtext der ISO 9004 auch wesentlich länger als der der ISO 9001.

Vergleicht man die beiden aktuellen Normen ISO 9001:2015 und ISO 9004:2009, dann sind diese Unterschiede kaum noch erkennbar.
Viele Aspekte, die bisher der ISO 9004 als nicht bindende Vorschlägen bestanden hatten („the organization should“), sind nun auch in der Revision 2015 der ISO 9001 als Forderungen vorhanden („the organization shall“), wenn auch mit mehr Ermessensspielraum für die Firma.

Dass man Managementsystemstandards in eine vereinheitlichte Struktur mit gleichlautender Wortwahl bringt, ist nachvollziehbar, da der Betrieb selbst verschiedenster Organisationen doch einiges gemeinsam hat.
Dies kommt abgesehen von den Zertifizierern auch den Anwendern entgegen, insbesondere denjenigen, die mehrere Managementsysteme etabliert haben (oft ISO 9001 und ISO 14001).
Die Vereinheitlichung der Wortwahl geht aber so weit, dass sogar existenzielle Aspekte nicht mehr konkret beim Namen genannt werden, sondern entweder unter „ferner liefen“ irgendwo im Normtext als interpretationsbedürftiges Konstrukt auftauchen, obendrein mit „falls anwendbar“ versehen sind, oder mit anderen Aspekten in einen Topf geworfen werden, um einer konstruierten theoretischen Qualitätsmanagementsichtweise zu entsprechen, was jedoch aus betrieblicher Sicht überhaupt nicht nachvollziehbar ist. 
 
Am Beispiel der Prüfmittelverwaltung sieht man das sehr gut. Prüfmittelverwaltung ist für produzierende Gewerbe besonders kritisch, da hier selbst kleine Fehler für längere Zeit unbemerkt beträchtlichen Schaden anrichten können.

ISO 9001 Beispiel Prüfmittelverwaltung
Revision 1987 und 1994
Prüfmittelverwaltung wird ein eigenes Element mit treffender Überschrift und klaren Forderungen gewidmet
Revision 2000 und 2008
Prüfmittelverwaltung wandert in ein Unterkapitel (7.6) mit treffender Überschrift. Der Normtext ist noch einigermassen konkret.
Revision 2015
Prüfmittelverwaltung wandert in ein Unter-unterkapitel (7.1.6) mit nicht mehr erkennbarer Überschrift. Prüfmittelverwaltung und das Messen von Prozesskennzahlen werden -völlig praxisfremd- in einen Topf geworfen. Mitten im Normtext treten Forderungen an Prüfmittelverwaltung hervor. 

Man könnte sagen, dass man die ISO 9001 mit der Revision 2015 auf eine abstraktere Ebene gehoben hat.
Aus praktisch betrieblicher Sicht Zusammengehörendes wurde zerteilt und so angeordnet, dass es aus theoretischer Qualitätsmanagementsicht zusammengehörig erscheint.
Die Prozesse im Allgemeinen stehen über allem, und die Feinheiten, die letztlich auditiert werden, muss man sich zusammensuchen. Aus Anwendersicht wird man wahrscheinlich froh sein, ältere Ausgaben der ISO 9001 Norm zur Hand zu haben.
Diese Tendenz war schon in der ISO 9001:2000 zu spüren: Die Formulierung war wesentlich allgemeiner gehalten als die Revision 1994, doch die wichtigsten der 20 Elemente der ISO 9001:1994 waren entweder als Unterkapitel, oder wenigstens erkennbar im Normtext der ISO 9001:2000 untergebracht. 

Eine vollständige Tabelle mit Querverweisen zwischen den ISO 9001:2000 und ISO 9001:2015 Kapiteln befindet sich hier.

Die ISO 9001 war ursprünglich, noch bis zur Revision 1994, offensichtlich an das althergebrachte, klassische produzierende Gewerbe gerichtet, also an Firmen, die Produkte herstellen, und keine Software oder Dienstleistungen. 
Mit der  ISO 9001:2015 hat man das fragwürdige Ziel erreicht, jede nur denkbare Organisationsform mit abzudecken.

Das produzierende Gewerbe ist -branchenübergreifend gesehen- naturgemäss wesentlich komplexer und vielschichtiger als das Dienstleistungsgewerbe.
Die Anforderungen an heutige produzierende Gewerbe beinhalten diejenigen
Anforderungen an heutige  Dienstleistungsgewerbe weitestgehend, während ein beträchtlicher Teil der Anforderungen an produzierende Gewerbe auf Dienstleistungsgewerbe schlicht nicht anwendbar ist.
Produzierende Gewerbe haben also deutlich mehr Arten an Forderungen zu erfüllen, die zudem noch spezifischer sind.

Betrieblich weniger Erfahrenen möge folgende Veranschaulichung dienen:
Produzierendes Gewerbe: Bürogebäude mit Produktionshalle, Lager, Warenein- und Ausgang
Dienstleistungsgewerbe Bürogebäude. Alle Personen arbeiten an Schreibtischen.

Ob man dieser Argumentation letztlich zustimmt oder nicht, ist in diesem Kontext bedeutungslos, da sie offensichtlich die Sichtweise der ISO 9001 wiedergibt:
Für Dienstleistungsfirmen sind einige Forderungen der ISO 9001:2015 (selbst für Laien erkennbar) nicht anwendbar; umgekehrt sind für die weitaus meisten produzierenden Unternehmen so gut wie alle Forderungen relevant.

Von der Benutzerfreundlichkeit aus betrachtet wäre es für beide (Produzierende Firmen und Dienstleister) besser gewesen, den Normtext „produktionslastig“ zu belassen:
- Produzierende Firmen würden deutlicher sehen, was sie zu beachten haben,
- Dienstleister würden deutlicher sehen, was für sie offenbar nicht zutrifft.

Zum Abschluss soll noch ein positiver Punkt der ISO 9001:2015 hervorgehoben werden:
Die Geschäftsleitungen haben jetzt viel weniger Möglichkeiten, sich aus ihrer dauernden Verantwortung für das QMS zu stehlen.

 

 

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Letzte Änderung 04.06.2015


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